Neue Luzerner Zeitung; 2003-09-19; Seite 2
Zuger Zeitung Kultur

Theaterfest: «Zmittst im Gjätt uss» in der Spinni-Halle, Baar
Verknüpfte Schicksale

Mit ihrer Suada «Zmittst im Gjätt uss» bot die Matterhorn-Produktion einen äusserst unterhaltsamen Abend.
Eine Reisegruppe wartet abends auf ihr Flugzeug, das erst um vier Uhr morgens abfliegen soll. Sie besteht aus dem Reiseleiter (René Schnoz), Marcel (Romeo Meyer), einer jungen Frau namens Iris (Sabina Frey), einer älteren Dame (Franziska von Fischer) und Christoph, dem biederen Lehrer (Kristian Krone). Als sie endlich einsteigen können, werden sie wegen des stinkenden Handgepäcks der Seniorin wieder hinausgeworfen. Darauf beginnt erneut das grosse Warten. In all dieser Zeit des Nichtstuns erzählen sich die Figuren ihre Lebensgeschichte, reden aber aneinander vorbei.
Nach und nach erfährt man, dass Marcel gerade seine Grossmutter verloren hat, dass Iris sich diese Reise zum Geburtstag schenkt, obwohl oder gerade weil dieser erst im kalten November ist. Die Seniorin wiederum leidet an einer seltenen Augenkrankheit, von der man nicht einmal weiss, ob sie wirklich existiert. Der Lehrer hat gerade eine Affäre mit einem jungen Mädchen hinter sich und der Reiseleiter hat seinen Sohn verloren, während er selbst im Busch («Zmittst im Gjätt uss») weilte.
Gruppe einsamer Menschen
Das Spezielle an dem Stück ist unter anderem die Kommunikationsart unter den Charakteren. Es wird mit wenigen Ausnahmen hauptsächlich im Konjunktiv und in der dritten Person gesprochen. Die Schauspieler übernehmen dabei die Rolle derjenigen Person über die sie gerade sprechen. Ursprung des Theaterstücks, Suada (Redeschwall) genannt, ist das Buch «Zmittst im Gjätt uss/Mitten im Nirgendwo» von Guy Krneta, das Regisseurin Ursina Greuel für die Theaterbühne bearbeitet hat. Die Buchversion ist im April 2003 im Aufbau-Verlag auf Deutsch und in Schweizer Mundart erschienen, zeitgleich mit der Premiere. Es besteht aus jenen Einzelschicksalen, die Guy selber erfunden hat. Der Reiseleiter in der Suada verknüpft diese miteinander. Da die Schauspieler alle verschiedene Schweizer Dialekte sprechen, wird der Eindruck von zufälligem Zusammentreffen verstärkt. Die durchsichtigen Plastikschuhe der Gruppenmitglieder dienen als visuelle Darstellung des gemeinsam Verbindenden: Im Grunde genommen sind sie alle einsam. Am Ende des Abends hatte man das Gefühl, wirklich auf einer Reise gewesen zu sein. Einerseits sind viele neue Eindrücke, amüsante und ernstere, auf den Zuschauer eingestürmt, und andererseits war er auf einer Reise durch das Leben der einzelnen Charaktere.
Flavia Rivola