Sprechkonzert
«Stottern und Poltern» im Schlachthaus Theater
Michael Pfeuti, Franziska von Fischer, Krishan Krone und Margrit Rieben (v.l.)
stottern und poltern
sich durch das
Sprechkonzert.
Gefangene Wörter
«Sprache ist auch Musik»,
ist Ursina Greuel überzeugt, «sie ist mehr als
nur Informationsträger.» So sind denn die Stücke der Gruppe
Matterhorn Pro- duktionen um die Regisseurin und den
Autoren Guy Krneta auch zunehmend musikalisiert
worden. (In der «Fondue Oper» aus dem Jahr 2008 spielte Till Löfflers
Musik eine Hauptrolle.) Im ak- tuellen
Projekt, das Anfang Oktober in der Kaserne in Basel Premiere feierte und nun
ins Schlachthaus Theater nach Bern kommt, treiben die Kultur-Bergler
das Spiel mit Musik und Sprache auf den Gipfel. Getextet und komponiert von Guy
Krneta und dem Basler Mu- siker und Stimmakrobaten Christian Zehnder,
lotet das «Sprechkonzert» die Grenzen von Wort und Klang aus.
Laute klonen und dehnen
Menschen, die unter der
Sprachstörung des Stotterns leiden, wiederholen oder dehnen Laute so,
dass der Redefluss ge- stört wird. «Uns
interessierte weniger der Stotterer als Person als vielmehr die Sprachstörung
und ihre spezifischen Eigenschaften, die wir als musikali-
sches Stilmittel verwenden», erklärt Ur- sina Greuel. Dabei werde das Stottern durch die Formalisierung
nicht etwa verharmlost. Die Theaterschaffenden haben sich im Vorfeld intensiv
mit der Sprachstörung auseinandergesetzt, mit Logopädinnen und
Betroffenen gespro- chen. In
der Inszenierung selbst werden assoziativ Zeichnungen von stotternden Kindern
projiziert.
Im Fokus des Interesses der
Gruppe Matterhorn Produktionen stand vor al- lem der
Moment, in dem eine Betroffene
oder ein Betroffener einen
sogenannten Block hat. Ein Stotterer hat kein Bewusst- sein über die Länge
dieses Augenblicks, in dem ihm die Wörter im Mund hän-
gen bleiben. Was passiert da genau? Guy Krneta und
Christian Zehnder suchten einerseits aus der Sicht
der Betroffenen nach Antworten und beschäftigten sich andererseits von
sprachphilosophischer Warte aus mit dem Thema.
Zwei Musiker, zwei
Schauspieler
Auf der Bühne treten
nun der Kontra- bassist Michael Pfeuti
und Margrit Rie- ben an den
Snaredrums in einen Dialog mit den beiden Schauspielern
Franzis- ka von Fischer und Krishan
Krone. Die Szenerie zeigt keinen konkreten Raum. «Ich ging von einem Konzertsetting aus, das durch Licht eingegrenzt wird», erklärt
Regisseurin Greuel.
In das Projekt haben auch
Stotterer- witze Eingang gefunden. Ein heikler Punkt,
sehen doch manche dies als kla- re
Grenzüberschreitung. Greuel relati-
viert: «Die Witze sind Teil des Stücks, das auch zur Enttabuisierung des Stot- terns beitragen kann. Man
soll lachen dürfen, ohne dass man die Betroffenen damit angreift.» Zudem
gehen die Wit- ze in den
meisten Fällen nicht auf Kos- ten der Stotternden, sondern der Nicht- stotterer, wie zum Beispiel dieser: «Sag mal, stottert dein
Bruder immer so? – Nein, nur wenn er spricht.»
Simone Tanner