Mit dem virtuosen Sprechkonzert «Stottern und Poltern» von Guy Krneta und Christian Zehnder eröffnet das Theater Tuchlaube den «Krneta-Advent».
ROLAND ERNE
Das Trommel-Intro hat fast schon mechanische Präzision. Schnurgerade Achtel peitscht Schlagzeugerin Margrit Rieben an der Snare-Drum über die Büh- ne. Nichts lässt sie vorerst inne- halten. Ganz anders Darsteller Krishan Krone: Eigentlich hätte er, so scheints, etwas zu sagen. Bloss kaut er noch am letzten Bissen Fastfood und gestikuliert wild ins Publikum. Versucht er es später mit Worten, ists nicht weniger komisch. Und Michael Pfeuti stimmt erst mal seinen Kontrabass – ein erhabenes In- strument. Die Schauspielerin Franziska von Fischer wiederum weiss: «Heut hab ichs im Griff.»
DIE REDE IST VOM Sprechen ohne Störungen im Redefluss – Kerngebiet von Guy Krneta (Text) und Christian Zehnder (Kompo- sition) für ihr so genanntes Sprechkonzert «Stottern und Poltern», der jüngsten Theaterar- beit der Gruppe Matterhorn Pro- duktionen in der Regie von Ursi- na Greuel. Trotz intensiven Re- cherchen im Logopädie-Bereich: Angesagt ist nicht etwa eine the- rapeutisch beseelte Tiefenboh- rung, sondern vielmehr eine sze- nische Collage, die Sprechhem- mungen im Sinne einer musika- lischen Chance nachspürt.
«Frü-her ist mir / das öf-ter pass / iert --- / Dass ich hän-gen / ge-blie-ben bin / --- / Dass mir die Wör/terimMundhän/im Mundhän/imMundhän/im Mund hän / im Mund hän-gen / ge-blie-ben sind / --- / sich ver-fan- gen/ha-benimMund/---/wie Bal-ken - / Und den Durch-gang / ver-sperrt ha-ben», stösst Krone – ein virtuoser Kunst-Stotterer
hervor. Da kennt sich einer aus mit verhakten Wörtern, die in die richtige Richtung gelenkt und losgeschickt sein wollen, mit «leeren Pausen» und dem Schwei- gen zwischen den Wörtern, mit Wörtern «im Sitzstreik», die den Mund lahmlegen.
Derweil schleicht sich Pfeutis federnder Kontrabass hinzu und gibt mit Swing, mal beglei-
tet von Maultrommel-Akzenten und Fingerschnippen, den Takt vor. Ebenso mitreissend findet das involvierte Quartett mit bra- vourös orchestriertem Sprech- gesang zu rhythmisierten Laut- und Silbenfolgen, vermengen sich unter Greuels Regie instrumentaler Drive und bruchstückhafter Text. Wenige Requisiten genügen, etwa ein von Hand
durchgeschüttelter Lautsprecher, dem elektronische Sounds entweichen. Am Regiepültchen steht Margrit Rieben, deren sonst perkussive Salven eine schallintensive Musik-Theater- Produktion des eingespielten Matterhorn-Teams mitprägen.
IN KRNETAS STÜCK nicht fehlen dürfen auch Stotterer-Witze, vor allem aber Einwürfe, die an seine gewitzt nachdenkli- chen DRS-1-«Morgengeschich- ten» erinnern. Wörter müssten ihre richtige Grösse erst noch finden, konstatiert der erfahre- ne Dramatiker und gewiefte Spoken-Word-Autor. Und er ver- säumt es nicht, die Essbarkeit der Zunge zu thematisieren. Als ob in diesem von Christian Zehnders («Stimmhorn») Ton- schiene beflügelten Bühnen- abend irgendwelche Zweifel daran bestehen könnten, dass dieses «Tier ohne Pelz und Fe- dern» unerlässlich bleibt – zum Beispiel für ein Wort wie «Papperlapapp». Ebenso klar: Mit der Aargauer Premiere von «Stottern und Poltern» ist der «Krneta-Advent» im Theater Tuchlaube (sprach)klangreich lanciert. Stottern und Poltern Weitere Aufführungen: 9., 11., 12.12., Theater Tuchlaube, Aarau.