© Neue Zürcher Zeitung; 15.04.2008; Nummer 87; Seite 57
Zürcher Kultur
Deutsch-schweizerische Querelen rund um das Caquelon
Die «Fondue Oper» von Guy Krneta und Till Löffler
Der Schweizer Autor Guy Krneta und der deutsche Komponist Till Löffler nehmen in ihrer «Fondue Oper» die Animositäten und Vorurteile zwischen Schweizern und Deutschen auf die Schippe. Ende dieser Woche wird ihre Sprechoper für Schauspieler in Zürich aufgeführt.
Irgendwo in einem kleinen Ort in den Schweizer Bergen treffen Schweizer und Deutsche in einem Restaurant aufeinander. Da sich die Kellnerin weigert, für eine Person allein ein Fondue zu servieren, lädt sich der bodenständige Lehrer Urs kurzerhand zu der deutschen Kochbuchautorin an den Tisch. Eine zaghafte Annäherung beginnt, die aber bald von gegenseitigen Ressentiments und Pauschalurteilen überschattet wird. Verkompliziert wird die Sache dadurch, dass unverhofft die Second-Life-Bekanntschaft der Kellnerin aus Deutschland eintrifft. Das Fondue-Essritual bildet dabei die Hintergrundfolie für die kulturellen und sprachlichen Auseinandersetzungen.
Die «Fondue Oper» von Guy Krneta und Till Löffler verhandelt ein Thema, das gerade in den letzten Monaten wieder sehr heiss gekocht wird. An konkreten, einmal ernsten, dann wieder lächerlichen Konflikten wird augenzwinkernd die Borniertheit und mangelnde Offenheit sowohl der Schweizer wie der Deutschen ausgestellt. Wie auch schon in seinem Buch «Zmittst im Gjätt uss» und in seinen Live-Auftritten mit u. a. der Spoken-Word-Formation «Bern ist überall» oder dem Musiker Christian Zehnder unterwandert Guy Krneta das Funktionieren der alltäglichen Kommunikation. Ihn interessieren die Störungen und die Irritationsmomente, beispielsweise die Fremdheit, die sich einstellt, wenn bestimmte Wörter oder Wendungen mehrmals wiederholt werden. Oder wenn aufgrund eines vieldeutigen Subtextes Missverständnisse entstehen. Seine intensive Arbeit mit der Klanglichkeit und dem Rhythmus von Sprache bewog denn auch den Komponisten Till Löffler, Guy Krneta für ein gemeinsames Projekt anzufragen. So entstand in der Zusammenarbeit mit der Regisseurin Ursina Greuel, ausgehend von sketchartigen Szenen, die Krneta für seine Wort-Performances geschrieben hatte, nach und nach die grosse Opern-Form.
Die Aufregung um die kleineren und grösseren kulturellen Unterschiede zwischen Schweizern und Deutschen kennen Guy Krneta und Till Löffler bestens aus eigener Erfahrung. Das Thema dieser Oper für Schauspieler prägt ihren Alltag: Krneta, in Bern geboren, ist mit einer Deutschen verheiratet (mit der Regisseurin Ursina Greuel), Till Löffler seinerseits stammt aus Deutschland und lebt seit etwas mehr als drei Jahren in der Schweiz mit einer Schweizer Partnerin. Inspiration holte sich Krneta ausserdem aus Leserbriefen, Aussagen in Interviews und Aufsätzen in Zeitschriften. So streiten sich die Deutschen und die Schweizer in der «Fondue Oper» über die Gründe der Deutschen, in der Schweiz arbeiten zu wollen - tatsächliche Not, Bequemlichkeit, Profitgier? -, über Minderwertigkeitskomplexe und scheinbare Gemütlichkeit, Herablassung, Xenophobie oder auch einfach über die richtige Aussprache von Wörtern. Heisst das Caquelon nun Caquelón oder Cáquelon? Und ist das Fondue ein Fóndue oder ein Fondúe? Den hitzigen verbalen Auseinandersetzungen hat Till Löffler die Form klassischer Streit-Duette, gestischer Solo-Arien oder komplexerer Tutti verliehen, in denen sich die Stimmen gegeneinander zu behaupten versuchen.
Die «Fondue Oper» knüpft mit ihren Verfremdungseffekten an die Tradition der Sprechopern von Bert Brecht und Kurt Weill an. Auch Schönbergs «Pierrot lunaire» und die Experimente der Dadaisten mit rhythmisierter und tonal fixierter Sprache lassen grüssen. Bis am Ende auch der letzte Rest der Käsekruste - pardon: der «croûton» oder «d Grossmuetter» - auf dem Boden der Pfanne lustvoll weggekratzt ist.
Bettina Spoerri