© Basellandschaftliche Zeitung / MLZ; 05.04.2008; Seite 35

Wer spricht das richtige Deutsch?

Gare du Nord Die «Fondue-Oper» von Guy Krneta und Till Löffler ist ein vergnügliches Stück für singende Schauspieler. Es erlebte in Basel seine Uraufführung.

Alfred Ziltener

Das ist kein Abend für empfindliche Nasen: Es wird tatsächlich Fondue gegessen in der «Fondue-Oper», die in der Basler Gare du Nord ihre Uraufführung erlebt hat. Gleich drei Caquelons werden aufgetischt und natürlich brennt der Rest schliesslich an › die Folgen kann man sich denken ! › Der Text dieser «Oper für Schauspieler» um das Schweizer Nationalgericht stammt von Guy Krneta; einige Stücke des in Basel lebende Berners waren auch bei uns zu sehen, am Theater Basel etwa die Uraufführungen von «E Summer lang Irina» und «E Schtau vou Reh». Die Musik hat Till Löffler komponiert, der an vielen deutschsprachigen Häusern › auch in Basel › als Komponist, Musiker und Regisseur gearbeitet hat. Regie führte Ursina Greuel. Der Abend ist die sechste Arbeit der von Krneta und Greuel ins Leben gerufenen «Matterhorn-Produktionen».

Schon die letzten «Matterhorn»-Projekte drehten sich um das Verhältnis von Musik und Wort und die Musikalisierung der Sprache und so stiess Löfflers Vorschlag, gemeinsam eine Oper zu verfassen, auf offene Ohren. Aus zwei bereits vorliegenden Sketches hat Krneta ein Opernlibretto entwickelt, mit Dialogen, Rezitativen, Arien und Ensembles. Löffler hat dazu eine Musik komponiert, die Gesang, rhythmisch notiertes und freies Sprechen verbindet.

Das Stück dreht sich um das Verhältnis von Mundart und Hochdeutsch › und damit auch das Verhältnis zwischen Schweizern und Deutschen. Die erregte Debatte um das Hochdeutsche in Basler Kindergärten und die Emotionen beim kürzlichen Länderspiel belegen, wie aktuell das Thema ist.

Krneta lässt in einer Schweizer Beiz fünf unterschiedliche Figuren › Schweizer und Deutsche › zufällig zusammentreffen und führt an ihnen unterschiedliche Einstellungen zur Sprache, Denkschablonen und gegenseitige Vorurteile vor. Da ist die Serviertochter Yvonne. Franziska von Fischer zeigt sie als resolute junge Frau mit bodenständigem Zürcher Dialekt. Urs ist ein Lehrer aus dem Aargau, der stolz darauf ist, dass an seiner Schule in fast allen Fächern in «Standardsprache» unterrichtet wird. Ralf aus Darmstadt entspricht dem Bild des stets etwas zu lauten und zu vorlauten Germanen. Klaus Brömmelmeier unterfüttert ihn mit latenter Aggressivität. Astrid wiederum ist eine überassimilierte Münchnerin, die ein teutonisch gefärbtes «Schwytzertütsch» spricht und versucht eine bessere Schweizerin zu sein als die Schweizer selbst. Barbara Gassner spielt sie mit feinen komischen Nuancen. Später kommt die Sängerin Lesley dazu, eine Schweizer Weltbürgerin mit offensichtlich teilweise afrikanischen Wurzeln.

Beim gemeinsamen Fondue kommen sie sich näher › der Brauch will schliesslich, dass man die anderen am Tisch küsst, wenn man sein Brot verliert. Dabei wird reichlich Fendant und Schnaps konsumiert und der Alkohol tut seine Wirkung: Der sturzbetrunkene Ralf übergibt sich in der Toilette und der scheinbar so offene Urs offenbart plötzlich antideutsche Ressentiments. Schliesslich geraten sich alle fünf in die Haare im Streit um die richtige Betonung von «Fondue» und «Caquelon».

Das ist nicht immer tiefschürfend, aber ausgesprochen witzig und die Musik von Till Löffler, die mit Formen und Stilebenen jongliert, erhöht das Vergnügen. Er lässt die singenden Schauspieler von zwei links und rechts von der Spielfläche postierten Pianisten begleiten, die zwischendurch auch Gläser zum Klingen bringen. Simone Keller und Marino Bernasconi sind zuverlässige Begleiter.

Spass macht bereits die Ouvertüre, in die ein mitreissendes, frech synkopiertes Quintett eingefügt ist. Löffler nutzt geschickt den komischen Kontrast zwischen Alltagsdialogen und musikalischem Pathos › am schönsten, wenn Michael Wolf mit markantem Bass den banalen Satz «Ich heisse Urs» zum grossen Opernauftritt macht. Seine Arien knüpfen an die Schweizer Chansontradition, eines Paul Burkhard zum Bespiel, an. Ohrwurmverdächtiger Höhepunkt ist das unsentimentale Liebesduett von Yvonne und Ralf. Für Lesley hat Löffler eine hinreissende Auftrittsnummer komponiert, die die wohl musicalerfahrene Agnes Lampkin gekonnt serviert.

Die Regisseurin Ursina Greuel nutzt die komischen Möglichkeiten des Stücks mit Stil. Sie lässt die ausgezeichneten Darsteller pointiert, ja überpointiert spielen, ohne die Grenze zu Schwank und Klamauk zu überschreiten.

Die Ausstatterin Catharina Strebel spielt mit dem Gegensatz zwischen einer Bilderbuch-Schweiz und der helvetischen Realität, indem sie zwei Bildebenen ineinander montiert. Da ist einerseits einfaches Beizenmobiliar (mit dem unvermeidlichen rot karierten Tischtuch), das sich harmonisch in den Rahmen des ehemaligen Erstklass-büffets fügt. Andererseits führt mitten durch die Bühne ein Zebrastreifen zu einer nüchternen Beton-Bushaltestelle. Die Projektionen von Michael Spahr, welche die Ausstattung ergänzen, zeigen ein ironisch vervielfachtes Matterhorn, das immer wieder verdrängt wird von gesichtslosen Agglo-Häusern › bis Yvonne jeweils per Fernbedienung den Schweizer Nationalberg wieder zurückholt.