Theater Genau siebzehn Sätze braucht der Berner Autor Michael Fehr, aktuell Hausautor am Luzerner Theater, für seine Version der Weihnachts¬geschichte. Siebzehn weit ausholende Sätze, die rhythmisiert, im Präzisierungswahn und im Assonanzen-Staccato von Menschen erzählen, welche die Heilsbotschaft erreicht: im Krieg, am Stammtisch, auf dem Jagdhochsitz oder beim Dienst im Krankenhaus. Fast jeder dieser zu Kapiteln gepressten Sätze endet mit einem geträllerten Halleluja der Beteiligten. Oder einem Alleluja. Aber nicht immer. Und genau da liegt die Krux: Fehrs Text «Kurz vor der Erlösung» erlöst seine Figuren und erlöst sie doch nicht. Und er lässt seine Leser bis zuletzt auf Erlösung hoffen. Um dann einfach abzubrechen.
Kein Wunder, wartete das Luzerner Kleintheater-Publikum am Mittwochabend bei der Bühnenfassung der Theatergruppe Matterhorn Produktionen vergeblich auf einen alles umarmenden Schlussklang, in den es zur Vorweihnachtszeit warm applaudierend hätte einfallen können. Regisseurin und Herausgeberin
Die Regisseurin Ursina Greuel hat Michael Fehrs Text, der eigentlich ein synästhetisches Leseerlebnis ist – denn jedes noch so profane Ding, und sei es nur ein stinkender, klebriger Stammtisch, erhält bei ihm seine volle Sinnlichkeit zurück –, in eine nicht minder spannende Bühnenversion überführt. Greuel war als Geburtshelferin dieses Textes für diese Aufgabe prädestiniert. Als Mitherausgeberin der Edition ¬Spoken Script des Luzerner Verlags Der ¬Gesunde Menschenversand hat sie Fehrs erstes literarisches Werk für die Öffentlichkeit mit aufbereitet.
Greuel lässt ihre Schauspieler (Krishan Krohne, Michael Wolf, Franziska von Fischer, Fabienne Hadorn, Markus Mathis) die ganze Bandbreite ihrer Stimmbänder nutzen. Dem Auf und Ab der Stimmen gibt sie auf der Bühne mit einer Himmelsleiter visuell Entsprechung. Wie ein Provisorium kommt dieses bemalte Gerüst auf Rollen daher. Auf ihm versteigt sich der Pastor auf der Kanzel in Sätze und wartet der Jäger auf dem Hochstand vergeblich auf den Erlösungsschuss.
Kein Tonfall wie der andere
Desweilen streichelt Musiker Gustavo Nanez die am Gerüst hängenden Glocken, mal schlägt er sie grell zum erlösenden Halleluja-Gesang der Figuren. Mit wunderschönen dramaturgischen Einfällen gelingt es Greuel, die Fehr’sche Erzählweise abzubilden, in der kein Tonfall dem anderen gleicht.
Julia Stephan