© Berner Zeitung; 20.01.2006; Seite 12
BZ-Kultur

Schlachthaus Bern
Possen im Hotel Partnertausch

Matterhorn Produktionen überzeugt mit der Inszenierung eines eigenwilligen Textes von Alfred Wälchli. Die fulminanten Sprachspielereien zeigen sich auf der Bühne als prächtig versponnener Spass.
Eine Fahrt durch eine Berglandschaft, über Brücken, Passstrassen und Hochebenen; ab und zu der Scheibenwischer, der durch das auf die Bühnenrückwand projizierte Bild fährt. «Die Versuchung, die Romanza der Eluvies von Alfred Wälchli zu spielen» ist aber kein theatralisches Schulreisli oder eine Butterfahrt. Die Regisseurin Ursina Greuel hat für Matterhorn Produktionen eine abenteuerliche Reise durch die eigenwillige Sprachwelt des Alfred Wälchli inszeniert.
Der Plot
Alfred Wälchli (1922-2003), Aargauer Komponist und Schriftsteller, der als Aussenseiter nie in den grossen Kulturbetrieb fand, hat eine lautmalerische und versponnen verquere Sprache gefunden. Wie in einem Schüttelbecher wirbeln Laute, Nonsens, Unverständliches und Verstehbares durcheinander.
Der Versuch, ein ordentlich aufgebautes Theaterstück zu zeigen, misslingt schon früh. Der Ansatz «einen Prolog zu pinkeln» geht sofort im Sprach- und Figurenwirbel unter. Soviel wird aber nach und nach klar: Das Hotel zum Grossen Hunger und Durst in der Stadt Der Kleine Moritz ist in Schwierigkeiten. Regelmässig steigen im grossen Hotel in den Bergen und am See frisch verheiratete königliche Paare ab. Das zieht auch andere Gäste an, die sich die Ferien mit fröhlichem Partnertausch versüssen, was den Aufenthalt für weitere Gäste wiederum noch attraktiver macht. In dieser Saison aber bleiben die Königlichen aus, und damit auch alle anderen Gäste. Nur die Journa-listin Eluvies (Stina Durrer), die eine Reportage über den Niedergang des Hotels schreibt, und der Komponist Oscen (Krishan Krone), der seine grosse Liebe, seine Prinzessin und sein «Rosekäppchen» sucht, hat es hierher verschlagen. Zwei Gäste, das reicht nicht für den Hotelbetrieb. Damit es richtig läuft, braucht es mindestens vier Paare. Da liegt die Idee nahe, mit dem Personal zusätzliche Paare zu bilden, um den Betrieb etwas in Schwung zu bringen und das Hotel zum Grossen Hunger und Durst vor dem Bankrott zu bewahren.
Das Happyend
Der Concierge (Oliver Meier), der Portier (Markus Mathis) und der Kellner (Thomas U. Hostettler) organisieren aufgeregt schon mal eine Verlosung der Partnerinnen. Die bissige Chimera (Franziska von Fischer), die über Normen und Benimmregeln der Nobelhotellerie wacht, und die Directrice Lues (Sabina Frey), deren Name zweifelhafte Lust verspricht, sind wenig begeistert. Es wird gegiftelt und geschimpft und alles endet in einer grossen Keilerei, als wären im kleinen gallischen Dorf wieder einmal die Kundinnen und Kunden des Fischhändlers aneinander geraten. Zu einem Happyend kommt es aber doch noch - auch wenn sich Oscen zuerst in eine Kartonprinzessin verguckt.
Die Inszenierung
Schnurstracks und gerade aufs Happyend los geht «Die Versuchung, die Romanza der Eluvies von Alfred Wälchli zu spielen» natürlich nicht. Das Stück ist ein schillernder Mischmasch aus Märchen, Wirtschaftsdrama, Liebesgeschichte und antiker Mythologie. Vor allem aber ist es kindisch genialisches Sprachspiel, auf das sich Regisseurin und Ensemble mit sicht- und hörbarem Vergnügen einlassen. Ursina Greuel, die mit dem Autor Guy Krneta den Kern von Matterhorn Produktionen bildet, lässt das Ensemble nicht nur Wälchlis Sprache fast musikalisch formen, sie setzt auch auf starke choreographische Elemente und gibt ihrer Inszenierung schön überdrehte, possenhafte Züge.
Die dritte Produktion von Matterhorn - nach Guy Krnetas «Zmittst im Gjätt uss» und «Das Leben ist viel zu kurz, um offene Weine zu trinken» -ist ein wunderbar gespielter und schön inszenierter Sprachspass, aber auch ein optisches Vergnügen. Michael Spahrs Projektionen auf die Rückwand der Bühne sind nicht nur verspieltes Beiwerk, sondern als gewitzte Reverenzen an Terry Gilliams Animationen für Monty Python’s Flying Circus wesentlicher Teil der Inszenierung.

Elio Pellin

Weitere Vorstellungen: 20. und 21.1., 20.30 Uhr und 22.1., 17 Uhr im Berner Schlachthaus. Infos: www.schlachthaus.ch