© Berner Rundschau / MLZ; 17.03.2007

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Ein «Menü» für Augen und Ohren

Burgdorf «Nach Addis Abeba» ist ein verbaler Höhenflug zwischen Himmel und Hölle
Eigentlich wollten die sieben Protagonisten der «Matterhorn Produktionen», die zum Abendessen in fünf Gängen ins Casino-Theater Burgdorf einluden, nach Addis Abeba. Das Resultat war dann ein Bühnenspass aus der Feder des Berners Beat Sterchi. Regie führte Ursina Greuel.
Sylvia Mosimann
«Wer mit anderen Menschen in ehrlicher Gemeinschaft lebt, ist in guter Gesellschaft», sagt ein altes Sprichwort. Dies traf jedoch weniger auf die Bühnengemeinschaft beim Stück «Nach Addis Abeba» zu. Die Intimität eines kleinen Kreises wurde zwar nicht durch die Vielzahl der Protagonisten immer wieder zerrissen, sondern durch Fragmente aus Satz- und Wortfetzen auf «Smalltalk»-Niveau heruntergezogen.
Die Vorstellung begann mit dem Wort «Hallo» und der Frage: «Wer ist da?» Schnell wurde klar, dass sich die Plaudergesellschaft im Grunde wenig bis gar nichts zu sagen hat. Dialoge hätten sowieso nur gestört. Worte wurden neu gefasst und in Sätzen wie «Ein schöner, schöner Abend ist schön» benutzt. Dies gab dann zur Vermutung Anlass, dass das Leben auf jeden Fall schön sei, was die Reisenden nach Addis Abeba über die Schönheit an und für sich philosophieren liess.
Sinnlosigkeit der Gespräche
Die Darsteller redeten aneinander vorbei, durcheinander und übereinander. Heinz Ludwig ergab sich dieser Sinnlosigkeit der Gespräche, bei denen niemand zuzuhören schien. So geriet er «in die Kirche» und stellte fest, dass Gott froh sein könne, «dass es ihn nicht gibt.»
Das Spektakel war ein «Menü» für Auge und Ohr, ein verbaler Höhenflug zwischen Himmel und Hölle oder Addis Abeba und Domodossola. Von der Bühne ins Publikum gerufen, erklang dieses Wort wie ein italienisches «Primo Piatto», und die Seele schlürfte die Musik auf der imaginären Geige wie feinsten Barolo. Der zweite Gang war eine perfekte Buchstabensuppe, aus der sich die Tatsache, dass es in Domodossola ein Bett und viele Schlangen gibt, «zusammenpuzzeln» liess.
Kronleuchter wurde zum Orchester
«Es empfiehlt sich, choreografisch anstatt psychologisch-biografisch vorzugehen», merkt der Autor im Programmheft an und lädt zum Singen ein. Ein Kronleuchter aus Petflaschen, Weingläsern, Trömmelchen und Klangstäben wurde im Scheinwerferlicht zum Orchester, das in schnellen Drehungen sich selber davonzulaufen schien.
Schräg-skurril waren die Szenen, in denen es um «Quaak-Torte» oder die Sehnsucht nach «mehr Meer» ging, die von lautstarkem Gelächter des Publikums gestützt wurden.
zum Autor
Beat Sterchi wurde 1949 in Bern geboren. Über berufliche Umwege kam er via Kanada und Spanien wieder nach Bern zurück. Er schreibt Prosa, Reportagen, Kolumnen, Hörspiele und für das Theater. Seine Arbeiten wurden verschiedentlich ausgezeichnet, zuletzt mit dem Hermann Herzer Preis 06. (smo)